Dein Festtagsvarieté

 

Jeder Mensch braucht etwas Zeit für sich - nur leider nehmen wir uns sie viel zu selten.

 

Wir leben in einer Welt, in der wir Ruhe erst wieder erlernen müssen und uns nicht davor drücken dürfen.

 

Viele denken, trotz Decke und Couch, unentwegt daran, was noch getan werden muss, und dass man sich diesen Moment, des scheinbar faulen Daseins, gar nicht erst erlauben darf und sich stattdessen eher den „wichtigen Dingen des Lebens“ widmen soll, damit man am Samstagabend ohne schlechtes Gewissen mit den Freunden fernsehen kann. Falsch.

 

 

Erstens: Du liegst gerade nicht bloß „faul“ auf der Couch und erholst dich. Das machen vielleicht deine Beine, weil du gezwungen bist, den ganzen Tag in High Heels rumzulaufen, aber dein Kopf schaltet trotzdem nicht ab.

 

Zweitens: Ich wette mit dir, dass du deinen Freunden am Samstagabend absagst, weil du zu erschöpft bist, aber trotzdem wieder um 21:00 Uhr vor deinem Schreibtisch sitzt und dir die E-Mails von der Arbeit durchliest. Natürlich auch nur ganz kurz.

 

Drittens: Und damit zu dem wirklich wichtigen Punkt; „Die wichtigste Sache im Leben“ – das bist du! Das heißt leben, Dinge erledigen und To-Do-Listen abhaken ohne Pflichten oder Abgabetermine.

Sachen erLEBEN, die DICH glücklich machen und wenn diese Sachen auch noch so klein sind.

Du darfst dich bei all dem Work-a-holic-Kram, mit dem wir uns jeden Tag ein bisschen mehr abfinden, nicht selbst vergessen.

Ein Abend nur für dich. Nur du ganz allein. Vom Alltag abschalten und einmal ganz „normal“ sein - was heißt das schon.

 

 

Mein Abend:

Ich zum Beispiel veranstalte einmal im Monat ein ganzes Varieté, natürlich nur für mich allein, und widme es Österreich. Essen, tanzen, singen, selbstinszinieren. Also all das, was ich so gut wie jeden Tag mache, nur eben auf eine andere Weise:


Ich nehme mir einen Abend frei und quäle schon drei Tage davor meine Mitmenschen mit Erzählungen und Schwärmereien von diesem komplett durchgeplanten Ereignis. Natürlich in einem Dialekt, den man einer Region weder zuordnen noch zumuten kann. Ich bilde mir trotzdem ein, dass ich wie eine waschechte Wienerin klinge.


Am besagten Tag ziehe ich meinen Satin-Schlafanzug an, in dem auch wirklich nur Cameron Diaz in "Liebe braucht keine Ferien" gut aussehen würde und lege ein unausstehliches Chanel No.5 auf, das ich lieber vor zehn Jahren weggeschmissen hätte.


Danach wird eine Schalplatte von Simply Red in das viereckige Ding mit dem anderen Gabelteil - okay, Spotify wird geöffnet und eine schön-schmalzige Playlist vom Rotschopf mit Saxophon ertönt über die im Nebenzimmer stehenden Boxen.


Ich kuschel mich ins Bett, schmeiß mir eine Packung Moncherie rein und fühle mich einen Moment lang so, wie es sein müsste, ein normaler Mensch zu sein.


Nachdem ich die Anfänge meiner Übelkeit überwunden habe, setze ich mich mit meinen Schundroman auf und überlege dabei, warum ich diesen Abend Österreich widme. Dann denke ich über Wien nach und beantworte mir damit diese Frage.

 

Ich schlafe „bewusst“ ein, habe vorher das Licht ausgemacht und meinen Kopf vollkommen abgeschaltet.

Ich bin nicht wieder mit dem Stift in der Hand am Schreibtisch eingenickt und habe mir deswegen meine neue Bluse versaut.

Und wenn ich wieder aufwache, weiß ich, warum ich mir jedesmal diesen Samstagabend frei halte, denn dann freue ich mich endlich wieder, Ich zu sein und in den Alltag zu starten.

 

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© schinnozt (Neele Müller)