Tattoos & Religion

 

 

Vor Kurzem besuchte ich einen Vortrag mit dem Titel „Tattoo & Religion“, der von dem Theologen Paul-Henri Campbell gehalten wurde. Er veröffentlichte dieses Jahr das gleichnamige Buch und sprach in dem knapp eineinhalbstündigen Vortrag über ein paar Details der Entwicklung der Tattoos und über das ein oder andere Tattoostudio. Da ich allerdings überhaupt nicht mit seiner Darstellung zufrieden war, hatte ich das Bedürfnis, mich auch mal zu dem Thema zu äußern.

 

Mal abgesehen davon, dass der Vortragende faktisch absolut falsche Aussagen tätigte und gänzlich unvorbereitet wirkte, ist eine Sache trotzdem positiv zu bewerten - nämlich, dass jemand überhaupt dieses Thema anspricht, darüber recherchiert und dieses auch mal aus mehreren Perspektiven beleuchtet.

 

Wenn man nämlich im Internet nach den Schlagwörtern „Tattoos“ und „Glaube“ sucht, gelangt man ziemlich schnell auf Seiten, die mit Begriffen wie „Gotteslästerung“ und „Sünde“ um sich werfen. Ihre Rechtfertigung und Begründung finden sie dann in sorgfältig ausgesuchten Bibelstellen, die sie dann versuchen, nach ihren Ansichten auszulegen und zu deuten.

Hier gilt, wie so oft, alles eine Sache der Interpretation.

 

Daher spalten sich im Christentum auch die Meinungen zu Tattoos.

Dabei ist die Modeerscheinung „Tattoo“ heutzutage so präsent, dass es ja fast schon wieder Besonders ist, wenn man kein Tattoo unter seiner Haut trägt. Außerdem sind vermeintlich religiöse Tattoos, wie ein Rosenkranz oder Engel, ja auch mehr die Regel als Ausnahme.

Ob es sich dann aber auch wirklich um religiös motivierte Bedeutungen handelt, ist wieder eine ganz andere Frage, aber die zwei Themen – Tattoos und Religion – gehen sehr oft Hand in Hand und sind sowohl in der Kunst als auch in der Geschichte keineswegs voneinander zu trennen. Schon christliche Pilger im Mittelalter ließen sich biblische Bilder und Symbole auf die Haut stechen und in Jerusalem zum Beispiel gibt es ein koptisches Tattoostudio, das schon seit ca. 700 Jahren Gläubige und Reisende im Heiligen Land tätowiert.

Wenn man also trotz Recht auf Selbstbestimmung die Legitimität von Tätowierungen in Frage stellt, sollte man die Frage stellen, wieso sich der Einzelne tätowieren lassen will. Es gibt dazu eine kleine Anekdote:

 

Ein Mädchen fragt ihre Oma nach Geld für ein Tattoo. Die ältere Frau ist außer sich und entgegnet ihr mit einem lauten „Nein!“ Tattoos seien schließlich nur etwas für Kriminelle und Asoziale. Ein paar Wochen später kommt der Bruder des Mädchens zu seiner Oma und fragt nach 150€ für sein Motorrad. Daraufhin bekommt er sein Geld, schenkte es aber seiner Schwester für das Tattoo. Auf der nächsten Familienfeier dann die Überraschung. Die Enkelin ist tätowiert. Und zwar trägt sie jetzt den Namen und das Sterbedatum ihres Opas auf dem Arm. So, liebe Oma, sind Tattoos jetzt immer noch „nur etwas für Kriminelle“?

 

So schnell kann sich also die Meinung ändern. Dies ist natürlich nur ein Beispiel und jeder Tätowierer wird mir wohl auch dabei zustimmen, gerade bei noch sehr jungen Kunden, zweimal nachzufragen und sicherzugehen, ob diese sich bewusst sind, dass Tattoos so gut wie unwiderruflich sind.

Aber das ist etwas ganz Anderes als Tattoos von vornherein zu verteufeln, schlechtzureden oder als Indiz für Kriminalität zu sehen. Diese Voreingenommenheit und das „Sich-nicht-damit-auseinanderzusetzen“ ist eigentlich das schlimmste daran.

Und wenn jemand, der sich selbst niemals vorstellen könnte, sich tätowieren zu lassen, durchs Land fährt, Tätowierer besucht und eigentlich nur fleißig mitschreibt und paar Bilder sammelt, ist für mich keine Person, mit dem ich mich ersprießlich über „Tattoos & Religion“ unterhalten möchte. Aber was weiß ich schon…? ;-)

 

Dieses Thema hat so viele verschiedene Ansätze und Perspektiven zu geben, dass einem nach geschriebener Doktorarbeit wahrscheinlich noch zehn neue Unterthemen einfallen würden.

 

Und zum Schluss noch ein schöner Bibelvers (was ihr könnt, kann ich nämlich schon lange…):

 

„Gott ist kein Gott der Äußerlichkeiten sondern des Herzens“ (1. Samuel 16,7)

 

Was kann daran schon ein Tattoo ändern?

 

 

 

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